Volltextsuche nutzen

B O O K SCREENER

Aktuelle Veranstaltungen

Events
  • versandkostenfrei ab € 30,–
  • 6x in Wien und Salzburg
  • 6 Mio. Bücher
Menü

Die Corona-Schutzimpfung am Arbeitsplatz

Beitrag von Sophie Pfitzner LL.M. (WU), BSc (WU)


Die Corona-Schutzimpfung ist bald nicht mehr länger ein Zukunftsszenario. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erhoffen sich durch eine Impfung eine weitgehende Rückkehr zur Normalität. Sie haben daher großes Interesse, dass sich möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter impfen lassen. Doch können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Impfung anordnen? Haben Impfverweigerer und Impfverweigererinnen arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten?

Keine gesetzliche Impfpflicht in Österreich

Eine Impfung ist eine medizinische Behandlung, die mangels Zustimmung der Patienten als Eingriff in das Recht auf Privatleben des Art 8 Abs 1 EMRK zu qualifizieren ist. Unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit sind Eingriffe (wie zB eine Impfpflicht) zulässig (siehe EGMR 8.4.2021, 47621/13).

In Österreich besteht derzeit keine gesetzliche Impfpflicht (weder gegen Covid-19 noch gegen eine andere Impfung). § 17 Abs 3 Epidemiegesetz sieht jedoch die Möglichkeit vor, eine Schutzimpfung für bestimmte Personenkreise im Gesundheitsbereich behördlich anzuordnen. Davon wurde aber bisher nicht Gebrauch gemacht.

Können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Impfung anordnen?

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, die Gesundheit und das Leben ihrer Beschäftigten zu schützen. Daher sind am Arbeitsplatz Maßnahmen zu setzen, die das Infektionsrisiko von Covid-19 reduzieren. Sofern die Schutzimpfung nicht nur vor Erkrankung, sondern vor Übertragung schützt, wäre eine Impfung grundsätzlich ein taugliches Mittel, um die Belegschaft zu schützen. Doch aktuell ist nicht klar, ob Geimpfte auch Überträger sein können und neu auftretende Mutationen gefährden offenbar die Wirksamkeit. Deshalb sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber angehalten, andere Schutzmaßnahmen zu treffen, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Regelmäßige Testungen, das Tragen von (FFP2-)Masken, das Aufstellen von Trennwänden oder die Anordnung von Homeoffice können ebenso zu einer Reduktion des Infektionsrisikos führen, sind aber ein weitaus geringerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mangels gesetzlicher Impfpflicht können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher nicht zu einer Impfung verpflichten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen einer solch unzulässigen Weisung nicht Folge leisten.

Haben Impfverweigerer arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten?

Auch wenn in Österreich grundsätzlich Kündigungsfreiheit besteht und ein Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann, könnte eine Kündigung iZm Impfverweigerung dennoch gerichtlich angefochten werden. Befolgt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die unzulässige Weisung, sich impfen zu lassen nicht und wird sie oder er deswegen gekündigt, kommt eine Anfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG wegen der „Geltendmachung von nicht offenbar unberechtigten Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis“ in Betracht. Ist eine Kündigung sozialwidrig, weil sie wesentliche Interessen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nachteilig berührt, ist fraglich, ob die Kündigung aus personenbezogenen oder betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt werden kann. Können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer ohne eine Impfung im Betrieb nicht weiter einsetzen und kann das Infektionsrisiko auch nicht durch andere Schutzmaßnahmen reduziert werden, wird eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Die Corona-Schutzimpfung als Einstellungsvoraussetzung

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gerade auf Jobsuche sind und sich nicht impfen lassen wollen, könnte es am Arbeitsmarkt eng werden. Denn eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zu einer Corona-Schutzimpfung verpflichtet, ist nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Schließlich dient eine Impfung dem Gesundheitsschutz und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags selbst entscheiden, ob sie sich einer solchen Verpflichtung unterwerfen wollen.

Fazit

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können eine Corona-Schutzimpfung nicht einseitig anordnen. Kündigungen wegen einer Impfverweigerung könnten aber zulässig sein. Insbesondere wenn nichtimmunisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb nicht weiter eingesetzt werden können, wird eine Kündigung gerechtfertigt sein. Sollte eine Impfung auch vor Übertragung schützen, könnte die Kündigung von Nichtgeimpften auch auf die Fürsorgepflicht gestützt werden. Immunisierte werden gegenüber Nichtimmunisierten am Arbeitsmarkt zukünftig klare Vorteile haben. 

4. Mai 2021



Sophie Pfitzner LL.M. (WU), BSc (WU)

ist Rechtsanwaltsanwärterin bei der DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Manager-Anstellungsverträge sowie Umstrukturierungen im Personalbereich. Vor ihrer Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärterin war sie ua bei einer internationalen Steuerberatungskanzlei als Berufsanwärterin tätig und verfügt über umfangreiches Know-how im internationalen Steuer- und Sozialversicherungsrecht.

© Wolf-Dieter Grabner

 

Literatur zum Thema

Handbuch des österreichischen Seuchenrechts

Eine vollständige systematische Darstellung für Behörden und Entscheidungsträger

Handbuch des österreichischen Seuchenrechts

Veröffentlicht 2021
von Felix Andreaus bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2066-5

Gerade in Zeiten von Corona ist der Schutz vor Seuchen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten. Dabei ist COVID-19 nur ein kleiner Teil. Der Schutz vor Seuchen wie Masern, Ebola, Tuberkulose, Syphillis, aber auch weniger beachtete, jedoch weit verbreitete Seuchen wie Hepatitis beschäftigen ...